Alpencross 2006 – Bikes, Berge, Emotionen

Alpencross 2006 – Bikes, Berge, Emotionen Garmisch - Gardasee in 5 Etappen

Im Juli 2006 startetet unser erster Alpencross-Versuch von Garmisch zum Gardasee.

Alles begann damit dass ein paar Bike-Enthusiasten, im Winter den Gedanken fassten eine Transalp zu fahren. Die Planungen waren im vollem Gange. Welcher Anbieter, welcher Zeitraum, oh denkt dran die Fussball WM ist auch dieses Jahr, ich kann hier nicht und ich kann da nicht.

So einigten sich die 7 glorreichen (Personen) auf den Zeitraum vom 16. bis 22. Juli 2006 und auf den Anbieter Ulpbike, da uns dieser ein sehr gutes Angebot für eine Custom-made-Tour machte. Custom-made bedeutet, dass wir für unsere geschlossenen Gruppe einen eigenen Guide haben, der, auf unsere Wünsche und Interessen basierend, die Tagestouren individuell und flexibel plant. Neue Bikes wurden gekauft, Ausrüstungen und Bekleidung vervollständigt und natürlich stellte sich jeder seinen eigenen Trainingsplan auf. Im Winter war nur Fitnesstudio und Spinning auf dem Trainingsplan aber als das Wetter ab April wieder Ausritte mit dem Bike erlaubte, wurden die Kilometer nur so abgespult, bei einigen zumindest. Soviel zur Vorgeschichte.

7 kleine Bikerlein. Dann waren es nur noch 6! Der erste Ausfall im Februar, bedingt durch einen Kreuzbandriss. Dann waren es nur noch 5! Der nächste Aussteiger. Grund? Tja, fragt ihn selber, vielleicht erfahrt ihr warum. Nur noch 4! Knapp 3 Wochen vor unseren Alpencross der nächste Dämpfer fürs Team. Verletzungsbedingt wieder eine weniger Und drei Tage vor der Tour, das Ende des Nächsten. Dann waren es wirklich nur noch 3 unerschrockene, die sich der ihrer ersten Transalp stellten.

Jürgen, Sebastian und Klaus und ihre kampferprobten Bikes, zwei Giant Trance 2 gegen ein einsames Scott MC 30. Die ganze Tour versuchte ich per GPS aufzuzeichnen. Beste Erfahrungen machte ich mit meinen Garmin Edge 305 CAD und nahm das Garmin GPS60 CS nur zu Orientierungszwecken her, was sich im nachhinein als Fehler herausstellte, da mir die GPS aufgezeichneten Tracks der ersten drei Tage vollständig fehlten. Bis heute konnte ich den Fehler nicht finden oder nachstellen. Investigations are ongoing…

Mit unserem Guide James traffen wir uns am Sonntag Abend in Grainau und übernachteten im Hotel Nuss, das als eine Art konspirativer Treffpunkt für Ulpbike Touren dient, besprachen noch ein wenig die Details und die Strecke von morgen. Das Gute an unserer kleinen Gruppe war, dass wir sehr flexibel auf alles reagieren konnten und nicht das Einverständniss von 10 anderen Teilnehmern brauchten oder uns über Veto-Rechte Gedanken machen mussten.

Tag 1 – Grainau nach Imst

3, 2, 1, GO! Nach einem reichhaltigen Frühstück, was sich im nachhinein als nicht sehr leistungssteigernd herausstellte, sattelten wir unsere Bikes um 07/30 Uhr und fuhren den Wanderweg Richtung Eibsee, immer entlang des Zugspitzmassives. Vorbei am glasklaren Eibsee, Höhenmeter fressend bis zur Hochthörler Hütte auf ca. 1500 hm und die erste kühle Apfelsaftschorle genossen und uns von Jürgens klirrende Bremsscheibe jeden zurückgelegten Meter lärmend begleitete liesen. Eine kleine asphaltierte Strasse rasant hinunter bis nach Ehrwald und von dort folgte ein knackiger und langer Anstieg hinauf zum Marienbergjoch, wobei sich das letzte Teilstück als echte Meisterprüfung erwies, aber Sebastian hat es geschafft und geht sicherlich namentlich in die Memoaren ein, zumindest hat er durch diese Leistung jetzt schon bei Ulpbike weibliche Fans. Nach einer Rast in der Hütte, grandioser Aussicht und dem ersten Schnaps (wurde uns von begeisterten älteren Damen ausgeben), einen wirklich sehr schönen Double-Trail runter bis nach Nassreuth. Jürgens scheppernde Bremsscheiben hatte sicherlich auch etwas Gutes an sich. Glaub, das ist das gleiche wie bei einer Kuhglocke oder wie mit den kleinen Glöckchen das eine Katze um den Hals hat, damit weiss man immer wo sich das Kätzechen, die Kuh oder Jürgen befindet. ;-) Von dort aus ging es nur noch flach den Inn entlang bis nach Immsterau, wo wir unseren weiteren Abend geniesen konnten. Leider raubten uns die am Zimmer vorbei fahrenden Fernzüge (20 Minuten Takt) total den Schlaf.

Tag 2 – Imst nach Nauders

Schlecht geschlafen aber mit der frischen Morgensonne im Gesicht begann unser zweiter Tag. Um es gleich Vorweg zu erwähnen wir hatten die Ganze Woche über nur bestes Wetter, kein Gramm Regen und nicht einmal eine Wolke trübte unsere Tour, Temperaturen jeden Tag über 35 Grad und ab Meran sogar einen Höchsttemperatur von 42! Grad (ja, ist kein Tippfehler). Die Regenjacke schleppten wir also jeden Tag umsonst mit.

Wir folgten einem kleinen Feldweg und später Waldweg zurück nach Imst, nicht wie am Tag davor den Radweg von Imst neben der Autobahn, und blieben parallel auf den Trail zur Bundesstrasse Richtung Arzl im Pitztal. Auf dem kleinen Waldweg unterwies uns unser Guide James immer wieder in kleinen Einheiten in Fahrtechnik und Sicherheit. Richtiges Bremsen auf Geröll, Anfahren an steilen Anstiegen, Bunnyjumps und sonstige Tricks. Dies erwies sich im weiteren Verlauf der Tour als sehr wertvoll und jeder von uns hatte sein Bike während des weiteren Verlaufs der Tour viel besser im Griff und fühlte sich auf rasanten Downhills richtig wohl auf dem Bike.

Für heute standen noch zwei Anstiege auf dem Programm und zwar zunächst hinauf zur Pillerhöhe mit einer genialen Aussicht über das Inntal und später noch einmal 500hm am Stück hoch kurz vor Nauders. Von der Pillerhöhe einen richtig zackigen, zum Bremsscheiben glühend bringenden Trail hinunter wieder zum Inn über Asphalt, vorbei an Landeck und Pfunds, nur leichte Auf und Ab’s.

Von der schweizer Innseite ging es über einen fahrtechnisch mehr als anspruchsvollen und zugewachsenen Trail den letzten Anstieg hinauf bis zur Burg Nauders.Auch Sebastian, unser Kletterkönig musste bei diesem Teilstück sogar sein Scott mal tragen. Ab hier machten wir die Erfahrung, dass Brennesseln nicht brennen, wenn man nur schnell genug durchfährt. So war der letzte Uphill hinauf nach Nauders, wo wir im Hotel zur Post ein geniales Grillbuffet auf der Terasse serviert bekamen und so die verlorenen 6000 Kilokalorien wieder ein bisschen aufstocken konnten. Nachtrag, wer Nachtleben in Nauders sucht, den muss ich leider enttäuschen, was zu trinken in einer Hotelbar ist das Highlight hier.

Tag 3 – Nauders nach Meran

Gut geschlafen, im Dreibett-Zimmer, frisch und munter weiter zum dritten Tag. Da fällt mir noch was ein, es gibt Duschgels, die sollten echte Männer einfach nicht hernehmen, oder was haltet ihr von einen Duschgel mit dem Namen “Joghurt Pink Cocos”? Und so was östrogen angehauchtes nehmen echte Alpencrosser her, unfassbar. Ich verat es nicht, wer so lecker von uns riecht.

Heute lag eine sehr lange und schwierige Tour vor uns, von Nauders bis nach Meran und hier trennten sich unsere Wege, verletzungsbedingt fuhr Klaus den einfacheren Weg über den Reschenpass, während Jürgen, Sebastian und unser Guide über die Uina Schlucht fuhren.

Bei Sur En wurde es dann langsam ernst für unser Dreier-Team, der Anstieg hinauf zur Uina Schlucht begann. Wieder galt es mehr als 1700hm am Stück zu überwinden. Die Passage ist in das Bergmassiv gehauen, ein kleiner Trampelpfad ein bisschen mehr als einen Meter breit, nur teilweise mit Geländer gesichert, geht es rechts steil in die Tiefe. Weiter ging es über die Hochebene zur Sesvennahütte und rasante Abfahrten hinunter nach Laatsch, wo sich die Wege mit Klaus wieder überschnitten, Gefälle bis nach Meran, waren der leichte Ausklang der knapp 100 km langen Tagesetappe. Zur gleichen Zeit fand die Bike Transalp Challenge statt. Wie hatten die Ehre auf ein paar Kilometern mit den Challenge Teilnehmern mitzufahren bzw. ihnen sogar Windschatten zu bieten. Meran lag an diesem Tag unter einer richtigen Dunstglocke und dank 42 Grad freuten wir uns riesig auf den kalten Schwimmingpool im Hotel und die Pizza am Abend.

Nochmals auf die Apfelplantagen zurückzukommen. Aufgefallen ist mir, dass mir auf 20 km durch die Apfelplantagen keine einzige Fliege, Mücke, Biene oder sonstiges Insekt begegnet ist. Woran mag das wohl liegen?

Tag 4 – Meran nach Coredo

Wir verlassen sehr früh Meran Richtung Süden nach Lana im Etschtal. Hier beginnt die 19 km lange, kraftzährende Auffahrt zum Gampenpass auf knapp 1600 Meter. Die Passstrasse zieht sich kontinuierlich von 300 Meter, am Berg entlang bis zum Gampenjochpass hoch. Während des gesamten Aufstiegs, über weite Stecken eine Steigung von 9-10 %, hat man immer einen sehr schönen Blick über das gesamte Etschtal bis fast nach Bozen. Oben am Pass war nicht viel zu sehen, ausser 20 Motorradfahrer. So ging es weiter über Hl. Frau im Walde (Wallfahrtsort), quer über schöne, bewaldete Trails bis nach Castelfondo und Fondo, wo wir leider auf die Hauptstrasse mussten. Dafür konnten wir uns ein paar flotte Strassenrennen liefern und sogar ein Bergaufbremser gewann hier das Bergtrikot dieser Etappe!

Grandiose Ausblicke konnten wir bis nach Don geniessen. Ab hier hatten wir den besten Singletrail den wir je gefahren sind, immer am klaren Bach entlang, steile Felswände links und rechts, Geröll und weicher Waldboden, gemixt mit bremsverschleissenden Kehren. Ein toller Spielplatz für so grosse Kinder wie uns. Ein paar Wanderer die uns auf den Trail begegneten erwiesen sich als wahre Spassbremsen. Aber man muss doch gegenseitig Rücksicht nehmen, gell! Unten angekommen besichtigen wir das Kloster San Romedio, mit den echten Bären im Gehege und ein zappiger Feldweg Anstieg führte uns hinauf nach Coredo. Wunderschöner Ausblick über das gesamte Tal und das Morgen vor uns liegende Brenta-Massiv, liesen unseren Hunger abends nicht weniger werden.

Tag 5 – Coredo zum Ziel nach Riva del Garda

Irgendwie ist es schon traurig, dass dies unser letzter Bike-Tag sein sollte. Nur noch ein schweisstreibender, bis an die Leistungsgrenze gehender Tag und dann nicht mehr? Geniessen wir einfach unseren letzten Tag. Vor uns liegt eh noch ein hartes Stückchen Weg ca. 110 km und noch mal 1700 Höhenmeter. So rauschten wir, wie immer früh am Morgen, den Berg durch unzählig Apfelbäume serpentinenähnlich hinab. Weiter ging es auf Teer und vielen Auf und Abs über Tuenno, Flavon nach Lover immer begleitet von … richtig, Apfelplantagen.

Wie wird der Ort Lover nur zu seinen Namen gekommen sein? Italienisch korrekt heisst Lover Amante. Nach zwei Senken mit gewaltiger Steigung, wie immer durch riesige Apfelplantagen erreichten wir in Spormaggiore den Eingang in die Selva Piana. Hier schlängelt sich eine Schotterpiste, teilweise sehr steil und zum Teil sehr schlecht befahrbar, aber landschaftlich reizend, Richtung Andalo. Ein sehr bekannter Ski-Tourismus Ort, einen Steinwurf entfernt von Madonna di Campiglio. Etwas weiter wird man mit einem herrlichen Blick auf den Lagio di Molveno belohnt, welchen wir im Anschluß am westlichen Ufer entlang fuhren. Wegen dem mediterranen Flair wollte man am liebsten durchgehend anhalten und fotografieren. Ab Nembia ging es auf einer wunderbaren Schotterpiste über Argie bis nach Ranzo. Dabei hat man die ganze Zeit die wunderbare Pracht der Brenta vor den Augen. Kurz vor Ranzo kann man dann den beeindruckten Blick weit in den Süden gleiten lassen und die Strassen und Häuser sehen richtig winzig aus von hier oben. Wir liesen es anschliessend nun viele hundert Höhenmeter hinab rauschen. Hier mussten sich die Hydraulik-Bremsen wirklich einmal beweisen und sie taten es vorzüglich. Am meinen linken Schenkel ist bis heute noch das Branding zu erkennen. Merke: Nach langer Downhill-Passage nicht der Bremsscheibe nähern.

Kurz vor Dro gönnten wir uns unseren letzen Trail. Den Umweg nahmen wir gerne im Kauf, um uns noch einmal mit der Natur messen zu können. Die letzten Kilometer bis zum Gardasee tratten wir zügig ins Pedal um endlich an das oft hergewünschten Ziel zukommen. Endlich war Riva del Garda in sichtweite und wir freuten uns schon auf den Sprung ins kühle Nass. Je weiter wir Riva näher kammen, um so mehr zeigte die Nadel am Thermometer über 40 Grad hinaus. An diesen Tag mussten wir unsere Trinkflaschen mehr als oft auffüllen und das Wasser war nach kurzer Zeit wieder pisswarm und schmeckte nach Plastik. Keiner von uns wird den Geschmack von warmen-plastik Wasser vermissen. Für eine Flasche kühles Volvic hätt ich sehr gerne mehr als 10,00 Euro bezahlt. Über den Fahrradweg von Arco nach Torbole traffen wir endlich in Riva de Gard ein. Die Räder am Strand abgestellt und sofort rein ins Wasser. Wir hatten es geschafft! Jetzt fehlte zu unseren perfekten Glück nur noch ein kühles Bier…

Total: 396 Kilometer und 8200 Höhenmeter

Keine Frage, die vergangen Tage haben uns zusammengeschweisst. Aus Individualisten wurde ein Team, aus Fremden wurden Freunde, aus “Kein Alkohol Trinker” wurde ein begeisteter Biertrinker, aus Forstwegfahrern begeisterte Single-Trail-Fans, die selbst noch am letzten Tag einen Umweg in Kauf nehmen, nur um im Sturzflug über schmalste Pisten den Gardasee zu erreichen. Und unsere Giant Bikes? Einfach wie in Trance.

Überwältigende und unberührte Natur und Berge haben wir überwunden und sind oft an unsere Leistungsgrenzen gegangen, viele Emotionen haben uns begleitet und von den Eindrücken und Gefühlen können wir Wochen, Monate danach immer noch zehren und zum Abschluss der Tour gabs das beste Bier das wir jemals getrunken haben.

Ob wir es nochmals machen würden? Ja!